Mit Health Impact Bonds in Gesundheit investieren und Wert für die Gesellschaft schaffen
Zu häufig sind kranke Menschen für die Gesundheitswirtschaft wertvoller als Gesunde. Die aktuellen Vergütungssysteme honorieren überwiegend die Behandlung von Krankheiten und nicht präventive gesundheitsfördernde und -erhaltende Interventionen. Als Ergebnis verlieren Patient, Gesundheitswirtschaft und darüber hinaus die gesamte Gesellschaft. Innovative Ansätze, von denen alle Parteien profitieren, sind erfolgsabhängige Leistungsverträge, bei denen Investoren Maßnahmen vorfinanzieren, die eine positive gesellschaftliche Wirkung erzielen. Was konkret hinter diesen sogenannten Health Impact Bonds steckt und welche Hürden auf dem Weg dorthin zu meistern sind beleuchtet der folgende Beitrag.
Die Weltgesundheitsorganisation zum Beispiel bestätigt, dass in entwickelten Ländern durchschnittlich 50 Prozent1 aller chronisch Kranken ihrer verschriebenen Therapie nicht konsequent folgen und so nicht den erwünschten Gesundheitsnutzen haben. Der Pharmaindustrie gehen durch mangelnde Therapieadhärenz weltweit Umsätze in Höhe von 564 Milliarden Dollar2 verloren. Vermeidbare medizinische Kosten sowie Kosten für Fehlzeiten und reduzierte Produktivität sind hier noch nicht einmal berücksichtigt und werden heute klaglos von der Gesellschaft getragen, denn sie sind nicht transparent.
Obwohl die Vorteile für alle Stakeholder (Leistungserbringer, Krankenversicherer, Patienten, Industrie, Politik) offensichtlich sind und Lösungen hohe finanzielle Anreize bieten, ist das Gesundheitswesen scheinbar nicht bereit, nachhaltig an patientennutzenorientierten Lösungen zu arbeiten. Das Silodenken in den traditionellen Strukturen verhindert die Veränderungen der Rahmenbedingungen hin zu ‚Value Based Health Care’ (VBHC), einer Versorgung, die sich kontinuierlich an den Ergebnissen, dem Nutzen der Intervention, orientiert2.
Vier Hürden
Was hält die Gesundheitswirtschaft davon ab, ihren Innovationsfokus gezielt auf nutzenorientierte Versorgung zu legen und damit sowohl mehr Wert für das Unternehmen als auch für den einzelnen Bürger und die gesamte Gesellschaft zu schaffen? Durch Interviews mit 24 Expertinnen und Experten aus Deutschland3 konnten vier Hürden identifiziert werden, die mit dem Ergebnis anderer Befragungen übereinstimmen:
- Fehlende finanzielle Anreize für nutzenorientierte Interventionen
- Verstecken hinter Vorschriften statt Fokus auf Wirkung und Innovation
- Innovationslücken: Patientenzentrierung, Digitalisierung, neue Geschäftsmodelle
- Furcht vor sektorenübergreifender Zusammenarbeit
Health Impact Investing als neue Chance
Social Impact Bonds, die insbesondere in den USA und England bereits erfolgreich umgesetzt wurden, lassen sich in den Gesundheitsbereich übertragen und dienen als Pilotmodell für Health Impact Bonds. Investoren finanzieren hierfür erfolgsabhängige Leistungsverträge vor, die eine positive gesellschaftliche Wirkung erzielen, von der der Staat gesellschaftlich und wirtschaftlich profitiert. Bei Erreichen der vorher festgelegten Outcome-Ziele zahlt der Staat dem Investor seine Investition inklusive einer Rendite zurück. Dieses Finanzierungsmodell stellt sicher, dass die Outcome-Parameter zwischen allen Partnern vorher klar festgelegt und nach Abschluss des Projektes gemessen werden, die Wirkung also quantifiziert wird.
Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung und der ständigen Zunahme von chronischen Erkrankungen wird sich das deutsche Gesundheitswesen verändern müssen, um bessere Health-Outcomes zu erreichen und der drohenden Kostenexplosion zu begegnen. Drei Erfolgsfaktoren sind wesentlich für den Erfolg:
- Integriert und kollaborativ arbeitende Gesundheitsökosysteme
- Skalierbare patientenzentrierte und Technologiegestützte Lösungen
- Innovative Finanzierungslösungen zur nachhaltigen Finanzierung
Für Investitionen in den Gesundheitsbereich wurden Impact Bonds bisher kaum eingesetzt. Die Niederlande prüfen und entwickeln derzeit Health Impact Bond Ideen mit der ABN AMRO Bank als potenziellem Investor. Beispiele aus South Carolina und Kalifornien von laufenden HIBs aus den USA veranschaulichen das Potenzial von Health Impact Bonds auch in Deutschland. Outcome Payer wären die Krankenkassen, weil sie von der gesundheitsökonomischen Wirkung (Kosteneinsparungen) profitieren. Sie tragen kein Risiko, denn sie zahlen nur im Erfolgsfall, nämlich, wenn die vorher vereinbarten Outcome-Ziele erreicht werden.
Die Stakeholder im Gesundheitswesen haben eine Wahl. Sie können entweder versuchen, ihre heutigen Geschäftsmodelle zu verteidigen und weiter isoliert Produkte anstelle von ganzheitlichen Lösungen anzubieten. Oder sie können die Zukunft aktiv mitgestalten, indem sie wertorientierte und patientenzentrierte Interventionen, sektorenübergreifende Ansätze, neue Gesundheitsökosysteme und neue Geschäfts- und Finanzierungsmodelle vorantreiben – und damit letztlich bessere Gesundheit für die Bürger schaffen.
Quellen:
1 World Health Organization, 2003, Adherence to Long-Term Therapies, Evidence for Action.
2 The Economist Intelligence Unit 2016, Value-based Healthcare: A global Assessment, commissioned by Medtronic.
3 Die 24 Interviews mit Stakeholdern im deutschen Gesundheitswesen wurden zwischen März und Mai 2017 geführt. Es wurden Patienten und Vertreter der Krankenversicherer, der Leistungserbringer, der Pharmaindustrie, der Politik und sonstiger Gesundheitsdienstleister in 20-60-minütigen telefonischen, schriftlichen oder persönlichen Interviews befragt.
Erfahren Sie hier in 90 Sekunden von Healthcare Shaper Sabine Kraus, weshalb die deutsche Gesundheitswirtschaft Health Impact Bonds braucht:
- Veröffentlicht in Innovative Versorgung