Innovationsgetrieben und agil: Pharmaleader im digitalen Wandel
Pharma-, Medtech-, Biotech- und Diagnostikbranche sind allesamt großen Veränderungen unterworfen. Weit verbreitetes Silo-Denken und der hohe Regulierungsgrad im Gesundheitswesen stellen große Anforderungen an Mitarbeiter und Führungskräfte. Dazu führen Innovationen in den Bereichen Forschung und Entwicklung und die fortschreitende Digitalisierung von Produkten und Prozessen zu enormer Komplexität. Im Spannungsfeld zwischen starren Strukturen einerseits und Veränderungsdruck andererseits suchen Organisationen nach Wegen, um innovatives Denken und Handeln zu fördern. Wie kann das gelingen, ohne gegen existierende Regeln zu verstoßen oder die Wandlungsfähigkeit der bestehenden Unternehmenskultur zu überfordern? Der Schlüssel liegt möglicherweise in einer Führungskultur, die ihren Ursprung im Internetzeitalter hat: Ambidextrous Leadership . Gepaart mit klarem Erwartungsmanagement kann diese Führungskultur zum Hebel werden für hohe Agilität, die das innovationsgetriebene Pharmaumfeld so dringend braucht.
Das Konzept des „Ambidextrous Leadership“ ist nicht neu.
Es stammt aus der Zeit als traditionelle „brick-and-mortar“-Unternehmen sich in der Online Welt des anbrechenden Internetzeitalters neu ausrichten mussten: „Online“ war nicht nur neu, sondern vor allem anders! Andere Strategien, neue Wettbewerber, sich ändernde Businessmodelle, neue Prozesse, andere Mitarbeiterprofile mit anderer Mentalität. Unternehmen, die diese beiden Welten unabhängig voneinander managen konnten – als sog. Two-Speed-Organization – waren erfolgreicher als diejenigen, die versuchten, das neu entstehende Online-Business mit den gleichen Strukturen und Regeln zu führen, wie ihre traditionellen Geschäftsmodelle.
Innovationsquellen sprudeln lassen
Was heißt das heute, angewendet auf die Situation von Pharmaunternehmen im Zeitalter der Digitalisierung?
Innovationen werden immer seltener organisch von den eigenen, internen Forschungsabteilungen generiert. Es sind immer häufiger universitäre Ausgründungen, kleine Forschungslabore und Start-ups, die mit schlankeren Organisations- und Kostenstrukturen, kürzeren Abstimmungsprozessen und hemdsärmeligem Gründerdrive Innovationen hervorbringen, die Big Pharma für Marktwachstum dringend benötigt. Sie werden akquiriert, es werden Kooperationen geschmiedet. Damit die neu erschlossenen Innovationsquellen nicht versiegen, braucht es Leader, die auf die Verschiedenheit beider Welten setzen, diese nutzen und führen können. Agil sein, heißt für Leader auf der einen Seite die Kultur der Kooperationspartner mitdenken und mitspielen zu können und auf der anderen Seite klar im Auge zu behalten, wie aus der Idee, dem Prototypen, dem Orphan-Drug ein marktfähiges Produkt wird, welches nicht nur die Zulassung erhält, sondern auch die kommerziellen Erwartungen von Big Pharma erfüllen kann.
Erfolgreiche Leader schaffen es, diese „Beidseitigkeit“, z. B. Unterschiede in der Geschwindigkeit der Prozesse und dem Mindset der Mitarbeiter, durch ein hohes Maß an Agilität im Denken und Handeln [1] erfolgreich zu meistern.
Erwartungsmanagement: Der „Knowing-Doing-Gap“
Erwartungshaltungen, die klar kommuniziert sind, tragen erheblich zum reibungslosen Ablauf und Erfolg bei. Führung im digitalen Zeitalter heißt deshalb konkret zu formulieren, was vom einzelnen erreicht werden soll, ohne dabei zu sehr in das ‚Wie es erreicht wird’ einzugreifen. Konkrete Erwartungen und flexible Handlungsspielräume in der Zielerreichung spannen den Rahmen, in demsich Innovation entfalten kann.
9 Punkte der Denk- und Handlungsagilität für Pharmaleader
Denn: Ambidextrous Leadership nutzt klares Erwartungsmanagement als zentralen Erfolgsfaktor
Worauf kommt es an?
- Sich konzentrieren auf ein Ziel, das gemeinsam mit dem Team entwickelt, von diesem geteilt und verfolgt wird.
- „Fühler in den Markt haben“, d. h. Marktveränderungen kontinuierlich überwachen, rechtzeitig erkennen und zeitnah darauf reagieren [2].
- Nicht nur Wandel anstoßen, sondern durch eigenes Handeln vorleben, (sprich: nicht starr an Plänen festhalten, sondern flexibel auf Anregungen und Marktveränderungen reagieren).
- Qualitativ hochwertiges Denken vorleben, fördern und fordern (und somit bessere Resultate erreichen).
- Proaktiv und mutig Rückmeldungen einholen (und somit eine effektive Feedback-Kultur aufbauen).
- Andere dazu inspirieren und motivieren, ihr bestes Selbst zur Arbeit zu bringen (Integratives Management [3] kreiert “listen-up-speak-up-Kulturen).
- Akzeptieren, dass Leadership überall in der Organisation existiert (wenn man Mitarbeitern die Handlungsfreiräume gibt, in denen sie sich angesprochen, befähigt und engagiert fühlen).
- Offen sein, sich von anderen beeinflussen und überzeugen zu lassen (denn diejenigen, die direkt mit dem Problem konfrontiert sind, haben häufig die besten Lösungen – unabhängig von Titel oder Status).
- Fehler erlauben, solange sie als Basis für Verbesserungen und Lernprozesse genutzt werden, (um in den schnellen Rhythmus des Testen-Lernen-Ändern-Testens zu kommen).
Womit jeder heute anfangen kann: Erklären Sie Ihre Erwartungen – nach oben, nach unten, um Sie herum. Mehr Transparenz gibt Richtung, schafft Klarheit, erlaubt Freiheiten und ermöglicht effektive Rückmeldungen.
Fazit: 9 Punkte der Denk- und Handlungs-Agilität erlauben Führungskräften in hochkomplexen Arbeitswelten innovativer zu sein, eine Brücke zu schlagen zwischen „alter Welt“ und digitaler Transformation, zwischen klassischem Arzneimittelvertrieb und Fokus auf Patientennutzen, zwischen klinischen Studien zur Arzneimittelzulassung in Massenmärkten und neuen Ansätzen personalisierten und digitalisierten Therapien, bis hin zu individualisierter Arzneimittelherstellung mit 3D-Druckern.
Quellen:
- https://hbr.org/2004/04/the-ambidextrous-organization
- Angelehnt an Hypothesen des Agile Business Consortium – Culture and Leadership Workstream April 2017 https://www.agilebusiness.org/resources/white-papers/culture-and-leadership-the-nine-principles-of-agile-leadership
- Pharma M&A: Agile Shouldn’t Mean Ad Hoc, McKinsey and Co.,(Zugriff auf Webseite Aug 2018) – https://www.mckinsey.com/business-functions/strategy-and-corporate-finance/our-insights/pharma-m-and-a-agile-shouldnt-mean-ad-hoc
- siehe auch “Innovation, Diversity & Market Growth”, Center for Talent Innovation, 2013 – http://www.talentinnovation.org/_private/assets/IDMG-ExecSummFINAL-CTI.pdf
- Veröffentlicht in Digitalisierung, Führung
Digital durchgeschüttelt: Unternehmenskultur als Erfolgsfaktor
Die Digitalisierung der Unternehmen, Institutionen und Verbände in der Gesundheitsbranche steht und fällt mit der jeweiligen Unternehmenskultur. Eine digitale Kultur in der Gesundheitswirtschaft heißt mehr Vernetzung, mehr Beweglichkeit, mehr Miteinander und mehr Interdisziplinarität. Unternehmen wie das Klinikum Heiligenfelde, verschiedene Betriebskrankenkassen, aber auch protina GmbH, ein Pharmaunternehmen, gehen hier mit gutem Beispiel voran.
WIR-Kultur weiterentwickeln
Immer schneller, immer komplexer, immer digitaler: Viele Gesundheitsunternehmen erleben die Digitalisierung als eine Entwicklung, der sie hinterherzuhinken drohen. Die entscheidenden Themen der Digitalisierung: Identität, Führungskultur, Innovation und Konnektivität werden nicht ausschließlich auf technologischer Ebene zu lösen sein. Der Erfolg der Digitalisierung in Gesundheitsunternehmen hängt weniger von Bytes ab als von Beziehungen, Vernetzungen und einer weiterentwickelten WIR-KULTUR. Deshalb geht es mehr denn je in der Gesundheitsbranche um die Bedeutung der Menschen im Arbeitsprozess, um die Sinnhaftigkeit von Management, um Vertrauen, Freiheitsgrade und unternehmerisches Handeln. Unternehmen benötigen reflektierte Menschen, die vielfältige Persönlichkeiten einbinden, die ein „sowohl als auch“ zulassen und Unsicherheiten in einem komplexen Gesundheitsmarkt moderieren können. Dadurch kann der Wandel im Gesundheitsmarkt erfolgreich gestaltet werden.
Future-Code & Möglichkeitsräume schaffen
Jedes Gesundheitsunternehmen hat seine eigenen Stärken und Herausforderungen. Diese zu verstehen und fokussiert anzugehen wird künftig eine Schlüsselfähigkeit für den Erfolg in der digitalen Gesundheitsökonomie sein. Denn digitale Orientierung besteht nicht in der Nachahmung fremder Vorbilder, sondern in der Besinnung auf den eigenen Gesundheits-Beitrag, auf den eigenen unternehmerischen FUTURE-CODE. Erst dann kann auch der erfolgreiche Schritt nach außen gelingen. Dabei ist der Wandel hin zu einer lernenden, agilen Organisation im Gesundheitsmarkt durch ein neues Führungsverständnis, existenzielle Voraussetzung. Führungskräfte werden zu Personalentwickler und Dienstleister ihrer Mitarbeiter.
Um Schöpfer und Gestalter des Digitalen zu werden, benötigen Gesundheitsunternehmen ihre eigene Zukunfts-Identität und eine Führungskultur, die permanentes Lernen und Gestalten ermöglicht. Unternehmen der Zukunft fokussieren nicht mehr ausschließlich Prozesse, Strukturen und Abläufe – sondern Menschen, Fähigkeiten und Kulturen. Sie etablieren Möglichkeitsräume, wie Zukunftslabore und Entwicklungswerkstätten, Führungs-Lernräume für ein Management 4.0. Mit dem Horizont-Dialog erweitern sie die Sichtweisen ihrer Mitarbeiter, sie reflektieren regelmäßig die Art ihrer Zusammenarbeit und setzen sich im „Dialog der Zukunft“ mit unterschiedlichsten Zukunftsthesen auseinander.
Im Dialog der Zukunft Impulse setzen
Die Kultur eines Unternehmens als Kern seiner Wirksamkeit im „INNEN“ und „AUSSEN“ zu analysieren und zu formen und damit die Chance einer neuen gesellschaftlichen Gesundheitskultur zu nutzen, erfordert eine ganzheitliche Betrachtung und viel Erfahrung.
Experten im Netzwerk der Healthcare Shapers machen die Unternehmenskultur in dynamischen Zeiten des digitalen Wandels sturmfest, z. B. Eva Zweidorf. Die Gesundheitsökonomin, Innovationsmanagerin, Krankenkassenbetriebswirtin, Zukunftsagentin und Kulturformerin gestaltet den Gesundheitsmarkt seit 30 Jahren bei Gesundheitsindustrie, Krankenversicherungen und Versorgungseinrichtungen. Sie hilft mit ihrem systemischen Blick dabei, die Herausforderungen der Digitalisierung erfolgreich zu meistern und die Unternehmenskultur als entscheidenden Wettbewerbsfaktor zu erkennen und zu nutzen.
Stimmen von Entscheidern und Führungskräften
Die Perspektiven, mit denen Unternehmen sich mit den Herausforderungen der digitalen Transformation in ihren Unternehmen auseinandersetzen, sind verschieden. Was verbindet, ist das Ziel, Führungskultur als Erfolgsfaktor zu nutzen:
„Digitale Transformation kann nur gelingen, wenn es ganzheitlich betrachtet und nicht nur aus rein technischer Sicht umgesetzt wird. Erfolgreich nutzen können wir die zahlreichen tollen Möglichkeiten die uns die digitale Welt bietet nur, wenn wir eine Verzahnung aus Mensch, Führung Kultur und Technik schaffen. Das hat mir der One Day nachdrücklich bewusst gemacht.”
Peggy Albert, Vorstandsreferentin der BKK VBU
“Mir ist viel stärker bewusst geworden, dass der Reifegrad von Unternehmen, deren Menschen und Kulturen ausschlaggebend ist, um in die Zukunft zu kommen. Dies erfordert ein unternehmerisches Umdenken. Wir müssen jetzt anfangen unser Führungsverhalten entsprechend zu verändern, um die Menschen mitzunehmen.“
Dr. Sabine Huppertz-Helmhold, Medizinerin und Interimsmanagerin, Professional Pharma Partner
„Die Zukunft im medizinischen Bereich wird immer mehr von der Unternehmenskultur beeinflusst. Leider haben wir dies in der Klinik kaum im Blick. Der Nachholbedarf, Unternehmenskultur in der Klinik zu gestalten, ist enorm. Wir sollten uns besser auf den Weg machen!“
Dr. Anne Pieper, Orthopädin der Schön-Klinik
Quelle:
OneDayWorkshop „Unternehmenskultur im Zeitalter der Digitalisierung“ am 12. Juni in Hamburg.
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